In Marburg war ich der Einzige der sich in ner Pension ein Zimmer genommen hat.
Du Warmduscher, Wurschthäutle, Zwetschgenärschle usw. waren die Kommentare - und am nächsten Morgen sind dann irgendwelche verquollenen Gesichter aus tropfnassen Zelten (Tau vom angrenzenden Bach) aufgetaucht.
Neue Kommentare waren dann so ala Zappa hatte recht, nächstes Jahr will ich nicht mehr im Zelt pennen, nie wieder Camping usw.
Nee, keine Dackelgarage für mich, versiffte Freisitztoiletten und waschen an tröpfelnden Hähnen mit abgestandenem Wasser, im Leben nicht. Die Zeiten sind vorbei. Ich will morgens gepflegt abkacken, duschen und ein vernünftiges Frühstück haben.
Der Campingplatz hatte allerdings nen Swimmingpool der so mit grüner Entengrütze zugewachsen war, das war eher ne Art von Moorpackung.
Jedenfalls hatte ich im Internet ne Pension ausgesucht, gut 20 km entfernt und irgendwo in der Pampa. Vor dem Treffen am Platz musste ich erstmal mein Gepäck abliefern. Nur über Feld- und Waldstrassen und durch winzige Käffer ging die Fahrt bis ich endlich die Pension gefunden hatte. 20 Häuser und das Schönste und Größte war die Pension.
Nur war niemand da obwohl ich meine Ankunft rechtzeitig gemeldet hatte. Irgendwann tauchte ein Nachbar auf und sagte mir dass alle aufm Friedhof wären. Der Chef wird gerade begraben. Na Klasse! Nach einigem Warten kam die Trauergesellschaft und ich habe mich irgendwie ganz unauffällig dazwischengeschmuggelt.
'Das Zimmer ist im ersten Stock, hier ist der Schlüssel, dort der Frühstücksraum und entschuldigen Sie dass wir uns jetzt nicht um Sie kümmern können.' Kein Problem, hab mein Gepäck in ne Ecke gestellt und mich wieder verdrückt.
Dann schnell zum Campingplatz gefahren wo die meisten schon eingetrudelt waren.
Spätabends hab ich mich dann aufs Bike gesetzt um zur Pension zu fahren. Nach dem zweiten großen vaterländischem Krieg hatte die Russen wohl im Sinne von Reparationsleistungen alle Straßenlampen und die meisten Wegweiser abgebaut. Die Straßen, die Käffer, alles stockfinster, kaum mal ne Funzel die irgendwo brannte, Navi hatte ich damals noch nicht und ich hatte echt Schiss mich total zu verfahren. So ne lichtarme Gegend habe ich seither nicht mehr gesehen. Aber irgendwann war ich dann doch am Ziel. Bike in Hof, Schlüssel raus, Taschenlampe (nie wieder ohne!) denn auch hier war alles pechschwarz und die Haustüre geöffnet.
HEILIGE SCHEISSE! Vor mir steht hoch aufgerichtet ein riesiger Dachs oder Werwolf oder sowas im Licht meiner Taschenlampe. Hab ich mich erschrocken, hat mein kleines Herzelein gepumpert. Als ich den Lichtschalter gefunden hatte sah die Sache schon besser aus. Es war zwar immer noch ein beeindruckender ausgestopfter Dachs aber eigentlich ganz hübsch. Wenn ich auch kein Fan der Taxidermie bin.
Am nächsten Morgen stellte ich dann fest dass das ganze Haus mit tausenden ausgestopften Tieren dekoriert war. Ich übertreibe da nicht! Auf den Treppenstufen, auf allen Wänden, jede Nische, alles war voll damit. Und zwar von kleinen Haselmäuschen über alle Arten von Vögeln bis zum 12ender war alles vertreten. Selbst im Speiseraum waren sämtliche 'Kronleuchter' aus verschraubten Hirschgeweihstangen gebaut. Sowas hatte ich noch nie gesehen und wills auch nicht wieder sehen. Ich störe mich echt nicht an ein paar Jagdtrophäen, aber so ein Sammelsurium empfinde ich nur als abstoßend. Der Chef muss wirklich voll was an der Waffel gehabt haben.
Ach ja der Chef: Ich war der einzige Gast und damit ich beim Frühstück nicht so alleine bin hat man mir den Tisch nett eingedeckt und mir gegenüber so ne Art Altar aufgebaut mit Großfoto des Dahingeschiedenen samt schwarzem Trauerflor. So haben wir 2 beim Frühstücken immer so ne Art stumme Zwiesprache gehalten.
Ich frag mich ob die den Alten inzwischen wieder ausgebuddelt haben und er nun neben dem Dachs im Hausflur steht. Vielleicht sollten wir mal wieder ein Treffen in Marburg machen, ne Pension wüsste ich schon für Euch.