Update:
Ich habe am Wochenende den Motor ausgebaut und vollständig zerlegt:
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Nach Inspektion vom Zylinderkopf des vermeintlich schadhaften Zylinder, waren keine Risse rund um die Ventilführungen erkennbar, die zu einer Ölpfütze auf den Einlassventilen führen könnten (Ventile ausgebaut).
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Bei demontierten Zylinderköpfen war schon das herunterlaufende Öl an der Zylinderwand des hinteren Zylinders auffällig.
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Auffällig war am hinteren Zylinder bereits, dass die Verfärbung durch Verbrennungsrückstände an der Zylinderoberkannte (der bräunliche Ring) nicht gleichmäßig „rund“ ist. Man konnte an der Zylinderwand ca. 1,5cm Unterhalb der Zylinderoberkannte (in Richtung Auslass) bereits leichte Unebenheiten mit dem Finger spüren – keine wirklichen Riefen. Hier ist auch der Kreuzschliff ziemlich wegpoliert – also in Kolbenkipprichtung.
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Beim Drücken des Kolbens viel schon heftiges Kolbenkippeln auf, welches die Kolbenringe nicht mehr selbständig zurückdrücken konnten (klar, Öl wirkt hier auch wie KIeber zw. Kolben und Zylinder). Es war beim hin- und her drücken schon ein deutliches „Klacken“ hörbar. Beim „hindrücken“ des Kolbens in Richtung Auslass (tiefere Kolbenseite) quatschte das Öl ordentlich vom Kolbenhemd nach „oben“). Gleiches „Klacken“ beim hin- und her drücken zeigt auch der vordere, vermeintliche „bessere“ Zylinder/Kolben. Auch hier zeigte sich an der Zylinderoberkannte am „Ring“ der Verbrennungsrückstände eine Auffällige Stelle an der „Auslassseite“.
Nach dem vollständigem Ausbau der Kolben zeigte sich dann die Ursache:
Beide Kolben habe ordentliche Fresspuren am Kolbenhemd, jeweils an der Einlassseite. Die Fressspuren sind am vorderen Kolben (Kerzenbild normal) um einiges stärker als am hinteren Kolben. Am vorderen Kolben war alle Ringe frei. Die Stege zwischen den Ringen sind allerdings sehr in Mitleidenschaft gezogen. Der 1. Verdichtungsringe war stark abgeschliffen. Es sah so aus, als hätte der 1. Verdichtungsring mal eine Nut mit 2 Kanten oben/unten gehabt. Die Kanten sind vollständig abgeschliffen. Am hinteren Kolben waren die Kannten des 1. Verdichtungsringes noch erkennbar und nur Stellenweise vom Abrieb des Kolbens zugesetzt. Der 2. Verdichtungsring war an einer Stelle verklemmt/schwergängig und nicht mehr vollständig frei (evtl. daher der Ölverbrauch).
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Wie kommt dieser Schaden nun zustande? Laut dem Wissenswerk von MS-Motorservice Kolbenschäden und ihre Ursachen · Technipedia · Motorservice (ms-motorservice.de) ist das ein Schadensbild eines Trockenlaufs/Krafstoffreibers infolge einer Krafstoffüberschwemmung. Zu Kraftstoffüberschwemmung kommt es bei häufigen Kurzstreckenbetrieb mit der Folge einer Ölverdünnung. Hier beginnt dann auch schon der Teufelskreis.
Die Anschlagstellen am Feuersteg der Kolben sind Indiez für Kolbenkippen durch evtl. zu großes Einbauspiel des Kolbens. Ich hatte den hinteren Zylinder mal vermessen und eine Ovalität von 0,08mm herausbekommen. Das ist die Verschleißgrenze laut Reparaturhandbuch (passt ja dann). Auch der Ringstoß des 1. Verdichtungsrings war mit 0,65mm an der Verschleißgrenze. Kolben hab ich noch nicht vermessen. Aber Schrott ist nun mal Schrott. Da hilft auch viel Messen nicht mehr.
Für die Ölpfütze auf den Einlassventilen habe ich den Spülvorgang aufgrund der Ventilüberschneidung als Ursache genannt bekommen. Demnach entsteht im Ansaugtrakt ein Unterdruck, der das unverbrannte Öl (verbrennt nicht, weil es einfach zu viel ist) in den Ansaugtrakt zieht. Für mich nachvollziehbar, da beim PKW ja auch der Bremskraftverstärker mit Unterdruck versorgt wird. Geht ihr da mit?
Als ich mit den beiden Pleuel/Kolben in der Hand beim Teileservice Stand, sprach mich ein Mitarbeiter an: „Oh…V-Rod? – ja, mit hohem Ölverbrauch und ordentlich Fresspuren. Der hatte grade mal 8000km auf der Uhr. Die Kolben haben heftig gekippelt. Ob der zu fett lief? – Nee…so fett kann der nicht laufen, dass so ein Schaden entsteht. Die waren manchmal von vornherein schon nicht gut ;-). Da kannste nur einmal alles neu machen.“
Ich habe nun 2 neue Sätze Laubuchsen mit Kolben, neue Kurbelwellen- und Pleuellagerschalen, Kopfdichtungen, Mutter für die Kupplung und Zylinderkopfschrauben bestellt. Ich habe versucht die Kurbelwelle wegen der Lagerschalen zu vermessen. Hier bin ich auf keine vernünftigen Werte gekommen, die der Farbmarkierung auf der Kurbelwelle entsprechen. Da die Lauflächen der Kurbelwelle und die Lagerschalen keine auffälligen Laufspuren haben, habe ich die neuen Lagerschalen im gleichem Maß wie auf der Kurbelwelle angegeben, bestellt. Eine Pleuellagerschale hatte eine Mini-Riefe. Entweder war die schon vorhanden oder etwas Abrieb vom Kolben ist mal mit durchgegangen. Das hätte alles noch viel schlimmer ausgehen können.
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Wenn die neuen Laufbuchsen da sind, werde ich Maß nehmen und mir einen Auszieher für die alten Buchsen bauen. Hat hier jemand für das „ausziehen“ der Buchsen noch eine Tipp? Sind die ordentlich fest drin?
Die nächsten Gedanken gehen dann schon in Richtung den Zusammenbau. Benötigt man das „Tapped Compressing Tool“ zum Einstellen der Steuerzeiten unbedingt oder geht es auch anders? Wenn ja, wie? Hier bin auch über jeden Tipp dankbar. Beim Rest bin ich gespannt, ob ich es wieder alles so zusammenbekomme.